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10.11.2013

Patagonien 1 - Die Hornopirén Traverse 1






Bernd war mir im Trekkingforum durch seine Beiträge aus der ganzen Welt aufgefallen. Offenbar handelt es sich bei ihm um einen extrem erfahrenen Trekker. Da seine Schilderungen mich extrem neugierig gemacht hatten, nehmen wir schließlich Kontakt auf, und tauschen uns über lange Zeit lediglich per e- mail aus.
Dann im Mai letzten Jahres unternehmen wir endlich die erste Tour gemeinsam. Dabei handelt es sich um eine Harzüberquerung von West nach Ost. Da uns der Hexenstieg aber viel zu viel über Fahrwege führt, suchen wir uns eine eigene Route.
Diese entpuppt sich als sehr schön, mit schmalen, oft kaum noch erkennbaren Pfaden und auch kürzeren weglosen Teilstücken.
Bernd erzählt mir von seinem Plan schon bald für einige Monate nach Südamerika aufzubrechen. Leider kommt eine mehrmonatige Reise zur Zeit für mich nicht in Frage, aber vielleicht können wir uns ja für eine Zeit lang zusammen schließen?
Ab Dezember will Bernd in Patagonien unterwegs sein, dass könnte für eine gemeinsame Tour passen.
Einer seiner dort geplanten Treks scheint mir besonders interessant zu sein. Bernd möchte den Hornopiren Nationalpark und auch einen Teil des angrenzenden, privaten Pumalin Parks durchqueren.
Allerdings gibt es auf der geplanten Route keine Wege, sondern extrem dichte, gemäßigte Regenwälder, steile Berge und große Gletschergebiete. Die Route hat er lediglich mit den Bildern aus Google Earth geplant.
Von Anfang an ist uns klar, dass der geplante Trek, auf dem wir Nahrung für 20 Tage mitnehmen wollen, extrem schwer ist. Wahrscheinlich werden wir die Route je nach den Verhältnissen häufig modifizieren müssen, und vielleicht ist der Plan auch komplett undurchführbar. Kurz gesagt, ein klassisches Abenteuer mit ungewissem Ausgang möchten wir erleben.

Als ich am Frankfurter Flughafen in der Schlange vor dem Abfertigungsschalter stehe, komme ich mit einem anderen Reisenden ins Gespräch. Dabei stellt sich heraus, dass Claas schon einige Male in Patagonien war. Inzwischen hat er dort etliche Bekannte und eigene Pferde mit denen er ausgedehnte Treks unternimmt. Für ihn ist Patagonien ein perfektes Abenteuerland. Meine Vorfreude steigt…
Nachdem wir die eindrucksvollen 6000 er der Anden überflogen haben erreichen wir Santiago de Chile. Am Zoll wird es spannend. Claas hatte mir bereits erzählt, dass die Chilenen bei der Einreise Lebensmittel sehr penibel kontrollieren, um keine Pflanzen- oder Tierkrankheiten einzuschleppen. Ich habe mein gesamtes Essen für die geplante Tour im Rucksack, darunter auch Macadamianüsse und Müsli…
Und klar, ich muss mein Gepäck vollständig offen legen. Allerdings kann ich der netten Beamtin wohl überzeugend versichern, dass mein Nussmüsli völlig harmlos ist, daher entgehe ich einer Beschlagnahme meines Essens, was ansonsten hier wohl recht häufig vorkommt…
Vom Flughafen nehme ich einen Bus ins Stadtzentrum. Im dortigen Busterminal wimmelt es von Menschen. Daher dauert es auch eine ganze Weile bis ich endlich vor einem Schalter stehe und mich nach einer Verbindung nach Puerto Monttt erkundige. Eigentlich hatte ich vor, gleich am nächsten Morgen weiter zu fahren. Dummerweise ist heute aber Silvester, daher scheint ganz Chile unterwegs zu irgendwelchen Verwandtenbesuchen zu sein.
Zu meinem Leidwesen muss ich erfahren, dass alle Buslinien in den Süden auf Tage hinaus ausgebucht scheinen. Natürlich probiere ich es noch an weiteren Schaltern aber immer ohne Erfolg.
Die meisten Busse in den Süden fahren ohnehin über Nacht.
Am Flughafen hatte ich mitbekommen, dass der Reiter, den ich in Frankfurt kennen gelernt hatte, ein Flugticket nach Puerto Montt in der Halle erworben hatte. Daher hoffe ich, dass das auch mir gelingt.
Kurz entschlossen nehme ich einen Bus zurück zum Airport und habe Glück. Tatsächlich gelingt es mir noch einen Flug für den heutigen Tag zu finden.
Das 1100 Kilometer von der Hauptstadt Santiago entfernte Puerto Montt ist mit etwa 200.000 Einwohnern die größte Stadt im chilenischen Patagonien.
Normalerweise regnet es in der Hafenstadt am Pazifik, aber heute begrüßt mich schönes, sonniges Wetter. Die Gegend ist sattgrün und erinnert mit Wäldern und Weiden ein wenig an Bayern.Nachdem ein Bus mich vom Flughafen ins Stadtzentrum gebracht hat, erreiche ich bald die Unterkunft Hostal Casa Perla, in der ich mich mit Bernd treffen will.
In der Küche treffe ich meinen Reisepartner, der bereits gestern von einem 6- tägigen Trek im Tal des Rio Cochamo zurückgekehrt ist.
Später breiten wir die recht guten Karten im Maßstab 1: 50.000 aus, die Bernd bei IGM, dem geographischen Institut der Hauptstadt gekauft hatte. Ich finde es immer wieder bemerkenswert, dass Bernd ansonsten auf seinen Treks meist nur Schwarz- Weiss Kopien von Karten mitführt, die er für Chile beispielsweise in der Nationalbibliothek angefertigt hat.
Auf seinem letzten Trek hatte er bereits die Hänge der Berge in Augenschein nehmen können, die wir zu Anfang unserer geplanten Route in der Nähe des Dorfes Puelo bewältigen müssten.
Bernd ist extrem erfahren, was weglose Treks angeht. Daher glaube ich sofort, dass diese Hänge seiner Einschätzung nach so dicht bewachsen sind, dass ein Durchkommen dort kaum möglich ist.
Bambus kannte ich bisher nur aus den Tropen. Aber auch in den gemäßigten Regenwäldern Patagoniens kommt die Pflanze häufig vor und bildet stellenweise undurchdringliche Dickichte.
Wir beschließen den Startpunkt unseres Treks in das Dorf Hornopiren zu verlegen. Von dort führt ein Weg in den gleichnamigen Nationalpark, der uns zumindest für den Anfang ein gutes Vorankommen gewähren sollte.
Casa Perla, das Hostal der Familie Uribe hat familiären Charakter. Es gibt nur eine Handvoll Zimmer mit maximal 4 Betten, die von einem internationalen Publikum genutzt werden. Sowohl der Computer der Familie als auch die Küche stehen den Gästen zur Verfügung.
Wir lernen die 21- jährige Schweizerin Julia kennen. Sie absolviert derzeit ein dreimonatiges Praktikum im Parque Pumalin von dem sie vollkommen begeistert ist.
Der Amerikaner Douglas Tomkins erwarb dort über 3000 km² Land, die er zum größten privaten Schutzgebiet Chiles machte. Es werden dort nicht nur die Urwälder vor der Abholzung geschützt, sondern auch versucht, vormals gerodete Flächen wieder aufzuforsten.Nach dem im Preis für die Übernachtung enthaltenem Frühstück aus Brötchen, Honig und selbstgemachter Marmelade erstellt Bernd seine Verpflegungsliste und gehen zu Lider, dem größten Supermarkt der Stadt. Da Frau Uribe, die hervorragend Englisch spricht, mir 2 Gaskartuschen geschenkt hat, die andere Reisende vor ihrem Abflug zurückgelassen hatten, brauche ich nur noch Butter einkaufen. Bernds Liste ist dagegen sehr umfangreich. Da der gelernte Koch auch beim Trekking gerne frische Sachen ist, dürfen Zwiebeln, Salami und Knoblauch bei ihm nicht fehlen.
Die Preise für fast alle Lebensmittel sind allerdings ebenso hoch oder höher als in Deutschland.
Heute am Neujahrstag wirkt die Stadt ziemlich ausgestorben. Immerhin, die Läden in einer Mall haben geöffnet und Bernd gelingt es in einem Geschäft die Bilder von seinen letzten Treks auf CD brennen zu lassen.
Am Morgen können wir es gemütlich angehen, da der Bus erst um 13.30 fährt und wir die Tickets am Terminal schon gekauft haben. Bernd und ich haben das gleiche Rucksackmodell, aber als die beiden Säcke schließlich gepackt nebeneinander stehen, könnte man glauben,
Meiner ist nur halb voll, so winzig wirkt er neben dem von meinem Partner. So wiegt meiner ca. 30 kg, dagegen ist der von Bernd sicher 10 kg schwerer! Frisches Essen, ein großes Zelt, ein zweites Paar Stiefel und ein gewichtiger Kunstfaserschlafsack treiben das Gewicht halt leicht in die Höhe, was Bernd jedoch nichts ausmacht, wie ich bald lernen sollte…
Der Bus ist brechend voll, so dass unsere Rucksäcke nur gerade so noch reinpassen. Julia, deren Weihnachtsurlaub beendet ist, fährt ebenfalls mit dem Bus.
Da alle Sitzplätze voll sind, sitzen wir vorne auf der Treppe beim Fahrer. Bald haben wir die Stadt hinter uns gelassen und es geht auf einer asphaltierten Straße die Küste entlang. Nach einiger Zeit haben wir La Arena erreicht, wo eine Fähre uns über den Reloncavi Sund setzen soll. Landeinwärts erstrecken sich die steilen Regenwaldberge des Nationalparks Alerce Andino. Das sieht nach einem sehr schweren Gelände für Querfeldeinwanderer aus…
Als sich die Fähre auf ihrer halbstündigen Überfahrt befindet, beginnt es aus einem bleischweren Himmel zu regnen.
Auf der weiteren Fahrt kommen wir nur noch selten an einzelnen Holzhäusern vorbei. Dennoch wurde der Wald entlang der Straße schon mal gerodet. Nur einzelne verbliebene große Bäume ragen aus dem Gestrüpp des dichten Sekundärwaldes.
Gegen 17.30 erreichen wir unser Ziel, den erstaunlich großen Küstenort Hornopiren, auch Rio Negro genannt. Wir verabschieden uns von Julia, die hier bei einer Freundin übernachtet, und verlassen in der Ortsmitte den Bus.
Wieder einmal geht ein heftiger Regenschauer nieder. Ausgerechnet jetzt entdeckt Bernd, dass der Reißverschluss von seiner Gore-Tex Jacke nicht mehr schließt…
Nun, zunächst suchen wir uns ein Zimmer in dem Hospedaje auf der anderen Straßenseite. Dann versuchen wir mit unseren dürftigen Spanischkenntnissen herauszufinden, ob es hier eine Schneiderin gibt, die die Jacke vielleicht irgendwie reparieren kann. Doch heute hat schon alles geschlossen und wir werden morgen früh unser Glück weiter versuchen…
Einstweilen essen wir in einer Kneipe Hähnchen mit Pommes und wälzen später noch einmal die Karten auf unserem Zimmer.
Unser erster Weg führt uns zum Büro der Nationalparkverwaltung. Hier sind nur zwei Angestellte der staatlichen Forstbehörde CONAF anwesend. Zunächst sind sie etwas zurückhaltend, aber keineswegs unfreundlich. Wir möchten versuchen etwas über etwaige Pfade im Park herauszufinden. Leider sprechen die beiden nur spanisch. Aber der eine bemüht immerhin ein Übersetzungsprogramm seines Computers, wenn er merkt, dass die Kommunikation etwas hakt.
Offiziell darf nur der Pfad zum Lago General Pincho Concha von Besuchern genutzt werden. Obwohl die Nationalparkleute natürlich merken, dass wir ein bisschen mehr vorhaben, weisen sie uns zwar darauf hin, dass das illegal ist, aber sie sagen uns auch nicht deutlich, dass wir nicht gehen dürfen…
In einer Art Besucherzentrum gibt es einige Läden und ein Restaurant. Hier soll auch eine Schneiderin anzutreffen sein. Na ja, Öffnungszeiten sind flexibel, aber um 11 Uhr erscheint Maria schließlich, und bietet an, ein Klettband das wir in einem Laden gekauft haben, an die Jacke zu nähen.
Gegen 13 Uhr können wir dann endlich starten. Glücklicherweise hat der Regen jetzt auch nachgelassen. Nicht umsonst laufen hier viele Leute in Gummistiefeln und Outdoorjacken herum.
Eigentlich müssten wir etwa fünf Kilometer weit der Straße bis zu einer Abzweigung folgen, aber wir haben Glück, obwohl wir nur halbherzig versuchen per Anhalter weiterzukommen, hält bald ein Wagen und nimmt uns mit.
Für die nächsten fünf Kilometer führt ein Fahrweg stetig bergauf. Weiden und Buschwerk werden immer wieder von einzelnen recht solide gebauten Holzhäusern unterbrochen. Die Berghänge sind noch vom Dunst verhüllt, aber über dem Meer zeigen sich bereits einige blaue Flecken.
Streckenweise begleitet uns ein Mann in Gummistiefeln, der unaufhörlich auf uns einredet. Leider verstehen wir fast nichts!
An einem Infopavillon des Nationalparks endet der Fahrweg und das Abenteuer beginnt!
Zunächst folgt der Pfad der hier beginnt dem Tal des Rio Negro. Obwohl es sich hier noch nicht um eine Urlandschaft handelt, ist die Mischung aus offenen Weideflächen und dichten Gebüschen landschaftlich schön. An guten Zeltplätzen gibt es keinen Mangel.





                                                            Am Rio Negro

Bald wendet sich der Pfad ab vom Bach und es geht entlang von Granitfelsen steil nach oben. Die Vegetation ist so dicht, dass ich es mir kaum vorstellen kann, hier ohne Pfad durch die Landschaft zu spazieren.










                                      Aufwärts durch das grüne Labyrinth

Offene Flächen gibt es jetzt kaum noch. Aber das Fehlen der großen Bäume deutet darauf hin, dass wir auch jetzt noch nicht im Urwald sind.
Bei einer Rast können wir ein Pärchen Schopfkarakaras schön beobachten. Diese recht großen Greifvögel wirken mit gelben Schnäbeln und orangen Beinen ziemlich auffällig.
Gegen 18.30 verrät ein Schild, dass wir die Grenze des Nationalparks erreicht haben. Es ist feucht und kühl, dennoch wandern wir im T-Shirt.
Der Wald wird immer schöner, ein echter Märchenwald mit dichten Moospolstern und den gigantischen Stämmen der Alerces. Einer Nadelbaumart, die mich an die Mammutbäume Kaliforniens erinnert. Einzelne Sträucher setzen leuchtende Farbtupfer in das satte Grün.





                              Die Säulen der Alerce ragen aus dem Unterholz


Es wird zwar erst gegen 22 Uhr dunkel, aber eigentlich wollen wir unser Lager nicht so spät aufschlagen. Daher halten wir immer mal wieder nach einem guten Lagerplatz Ausschau. Diese sind hier aber dünn gesät. Daher laufen wir schließlich doch weiter bis zum Lago General Pincho Concha. Hier gibt es abseits des Pfads eine Holzhütte die von einem hier Guardaparque genanntem Ranger bewohnt wird, und einen Zeltplatz im Wald. Es gibt hier sogar Tische und Bänke, wir sind aber die einzigen Nutzer des Platzes.Müde und erfüllt von den Eindrucken des ersten Wandertages kochen wir noch und gehen dann bald schlafen.
Gegen 8 Uhr morgens erwachen wir. Die Temperatur beträgt hier auf 900 Metern Höhe lediglich 6 Grad und im Wald herrscht eine feuchte, dunstige Atmosphäre. Manch exotisch klingende Vogelstimme erinnert mich an den tropischen Regenwald, Ich frühstücke mein bewährtes Nussmüsli. Statt dem üblichen Milchpulver verwende ich heute zum ersten Mal Eiweißkonzentrat mit Vanillegeschmack. Was gut für Bodybuilder ist, sollte auch dem schwer schleppenden Trekker nützen…
Um ehrlich zu sein, reizt mich aber mehr der leckere Vanillegeschmack des Pulvers als die Muskeln aufbauende Wirkung…
Während mein kaltes Frühstück schnell zubereitet und verspeist ist, wirft Bernd seinen Benzinkocher an, um sich eine üppige Nudelmahlzeit zu kochen. Diese verfeinert er mit reichlich Zucker und Rosinen.
Wir beschließen heute die Umgebung des Lago General Pincho Concha zu erkunden um danach unsere weitere Marschroute festzulegen. Die kürzeste Route würde am Seeufer entlang und dann aufwärts der Hänge auf der anderen Seite des Gewässers verlaufen.
Auf der Broschüre des Nationalparks sind einige Pfade eingezeichnet, die hier am See beginnen sollen.
Als wir losgehen, entdecken wir schon bald eine Überraschung: Das Bett des unweit unseres Lagerplatzes in den See einmündende Baches, das gestern Abend noch tief und wasserreich war, ist heute Morgen völlig trocken! Offenbar hat das poröse Vulkangestein diese rasche Wandlung bewirkt.
Ein schmaler Pfad beginnt am Seeufer und führt durch den üppigen Bergwald aus Alerces und Südbuchen aufwärts. Glücklicherweise erscheint der Bambusunterwuchs hier häufig bereits weniger hoch und dicht als bei unserem gestrigen Aufstieg. Vielleicht ist es ja doch relativ gut möglich, diese Wälder weglos zu durchqueren.
Nach etwa einer Stunde gelangen wir an eine offene Stelle im Wald, die einen schönen Ausblick in Richtung des Vulkans Yates bietet. Große Teile der Hänge sind noch schneebedeckt. Während man im dichten Wald kaum eine zum Lagern geeignete Stelle findet, wäre dies ein schöner Zeltplatz.
Inzwischen hat sich die Sonne längst durchgesetzt und der von dichtem Wald umgebene See, über dem schneebedeckte Gipfel aufragen wirkt unter dem strahlend blauen Himmel wunderschön.
Auch in Patagonien gibt es manchmal schönes Wetter…





                                              Lago General Pincho Concha


Wir folgen einem weiteren Pfad, der am Seeufer entlang führen soll. Allerdings ist schon nach kurzer Zeit von einem Weg kaum noch etwas zu erkennen. Statt uns durch die dichte Vegetation zu kämpfen versuchen wir meist am Seeufer zu bleiben, wo wir häufig über große Lavabrocken balancieren müssen. Das Vorankommen ist langsam und ziemlich schwierig. An manchen Stellen ist es nicht möglich der Uferlinie zu folgen, so dass wir gezwungen sind in den Wald auszuweichen. Jeder Schritt stellt einen Kampf mit dem verschlungenen Geäst dar, eine sehr anstrengende Angelegenheit.
Schließlich treten wir den Rückweg an.
Unsere Schlussfolgerung aus diesen Erkundungen ist, dass wir nicht die kurze Route am Seeufer entlang wählen werden. Stattdessen wollen wir Morgen in Richtung des Vulkans marschieren um dann in einem großen Bogen zu dem Grat auf der gegenüberliegenden Seeseite zu gelangen.
Wir hoffen dass der Wald in den höheren Lagen weiterhin einfacher zu durchwandern bleibt.
Zurück in der Nähe unseres Zeltplatzes treffen wir den Guardaparque. Er berichtet, dass nur wenige Besucher hierher kommen. Es scheint tatsächlich einen von den Einheimischen genutzten Weg von Puelo zur Nordspitze des Sees zu geben, aber mit unseren mangelhaften Spanischkenntnissen können wir wenig Genaues herausfinden. Später sucht uns der Ranger noch einmal auf, und lässt uns eine Erklärung unterschreiben, nach der wir auf eigenes Risiko in den Park marschieren….
Später spaziere ich noch ein wenig am Seeufer entlang und genieße den ruhigen Abend. Der Wald an sich ist faszinierend, aber besonders begeistern mich die Säulen der Alerce, die oft mehr als 2 Meter im Durchmesser aufweisen. Diese Nadelbaumart hat ein sehr begehrtes Holz, aus denen unter anderem Schindeln für die Dächer der Häuser der Siedler hergestellt wurden. Daher blieben nur Restbestände dieses majestätischen Baumes erhalten, der mittlerweile aber nicht mehr eingeschlagen werden darf.





                                                                      Alerce


Am nächsten Morgen laufen wir zunächst zwei Stunden lang auf dem Pfad der in die Richtung des Vulkans Yates führt. Mal laufen wir in sumpfigen alten Lavarinnen, mal auf den trockenen Rücken zwischen zwei Tälern. Zu unserer Freude hört der Bambusunterwuchs bald auf, und irgendwann wird der Wald auch niedriger und lichter um dann kurz vor der Baumgrenze nur noch aus verschlungenem Südbuchengestrüpp zu bestehen.
Wir lassen unsere schweren Rucksäcke an einem Bach zurück um in Richtung des Vulkans zu wandern. Leider ist es nicht so schön und klar wie gestern. Aber trotz der dunstigen Schleierwolken brennt die Sonne auf uns herab.
Bald lernen wir eine echte Plage dieser Gegend kennen: Tabanos, Bremsen die uns in verschiedenen Größen und Farben belästigen. Zwar sind die Biester relativ schwerfällig aber dennoch schafft es immer mal wieder eine sich schmerzhaft festzusaugen. Besonders eindrucksvoll ist die riesige rote Variante, wahre Kampfflieger. Wir hoffen dass die Plage mit zunehmender Höhe und entsprechender Windbewegung nachlässt. Aber leider wird diese Hoffnung enttäuscht.
In dem heideartigen Bewuchs oberhalb der Baumgrenze macht das Laufen richtig Spaß, doch bald erreichen wir schon eine ausgedehnte Zone aus roten und schwarzen Lavablöcken wo wir wieder stärker darauf achten müssen, wohin wir unsere Füße setzen. Je höher wir kommen, desto weiter können unsere Blicke schweifen.





                                                  Aufstieg zum Vulkan Yatès

Immer wieder müssen wir Schneefelder queren, in denen wir aber kaum einsinken.
Schließlich erreichen wir eine Kette von drei Gipfeln. Der eigentliche 2187 m hohe Vulkan ist noch weit entfernt. Nichts als Schnee ist bis dorthin zu erkennen.
Wir genießen den Blick zum Kegel des Vulkan Hornopiren und zum Reloncavi Sund wo wir gestern unsere Wanderung begannen.












Vor allem aber können wir unsere weitere Route von hier oben überblicken. Einige Zeit werden wir noch auf den weiten Lavahängen des Vulkans gut vorankommen.
Danach geht es durch hügeliges, bewaldetes Terrain. Glücklicherweise scheint der Wald weniger dicht als in tieferen Lagen zu sein, und wird immer wieder von offenen Lichtungen unterbrochen.
Nach drei Stunden sind wir zurück an unseren Rucksäcken und laufen weiter. Ab jetzt gibt es keine Pfade mehr und wir sind darauf angewiesen selbst den besten Weg durch die Wälder und Berge Hornopirens zu finden.
Zunächst kommen wir in dem Heidegelände durchsetzt mit einzelnen Lavafeldern gut voran. Immer wieder halten wir um die tollen Ausblicke zu fotografieren. Kurze Waldabschnitte stellen kein Problem dar.
Dann geht es längere Zeit steil abwärts über Lavageröll. Vor allem mit unseren voll beladenen Rucksäcken ist hier höchste Konzentration bei jedem Schritt erforderlich. Zudem rinnt der Schweiß und die Tabanos fliegen einen Angriff nach dem Anderen. Obwohl Bernd schwerer trägt, macht ihm die Blockhüpferei offenbar nichts aus. Mein Partner kommt hier wesentlich schneller voran als ich.
Einzelne Eidechsen genießen die Wärme des Vulkangesteins.
Schließlich gelangen wir an einen kleinen Bach in einem knorrigen Waldstück. Normalerweise ist der Boden in diesen Wäldern ein einziger grüner Teppich, in dem sich kaum ein Zeltplatz finden lässt, aber hier gibt es Stellen an denen lediglich braunes Laub den Boden bedeckt. Der perfekte Lagerplatz!
Um 20 Uhr beträgt die Temperatur noch 15 Grad, daher sitzen wir noch einige Zeit draußen und unterhalten uns über unsere vergangenen Reisen.
Nachts ertönt ein lautes metallisches Froschkonzert, das mich wieder einmal an den tropischen Regenwald erinnert.
Morgens beträgt die Temperatur lediglich 5 Grad, aber ein strahlend blauer Himmel erwartet uns. Zwar sind wir jetzt zurück in der Bambuszone, aber glücklicherweise wächst er hier nicht höher als einen halben Meter.
In dem hügeligen, bewaldeten Gelände welches wir durchqueren, halten sich die Auf- und Abstiege in Grenzen. Bernd navigiert weitgehend ohne Karte allein aufgrund seiner Erinnerung der Topographie wie wir sie gestern von den Aussichtspunkten des Vulkans gesehen haben.





                                                   In der Nähe der Baumgrenze

Nur selten überprüfe ich die Position mit meinem GPS, vor allem auch um festzustellen, wie weit wir schon vorangekommen sind.
Gestern hatten wir einige Freiflächen im Wald ausgemacht, und gerätselt warum diese vorhanden sind. Einzelne Kuhfladen verraten uns jetzt die Urheber dieser Lichtungen: Offenbar gelangen gelegentlich Rinder hierher und sorgen dafür, dass die Lichtungen nicht zuwachsen.
Uns bieten diese Unterbrechungen im Waldmeer immer wieder schöne Ausblicke.










                          Vereinzelte Lichtungen sind in den Wald eingestreut


Natürlich müssen die Kühe auch irgendwie hierhin gelangt sein. Leider können wir immer wieder nur für kurze Zeit einem Rinderpfad folgen, dann verlieren sich die Spuren wieder im Dickicht.
Im Großen und Ganzen kommen wir zwar langsam aber zufrieden stellend voran.
Gegen Mittag müssen wir in ein tiefes Bachtal absteigen. An einem Steilhang ist das hindurchwinden durch die Vegetation deutlich schwieriger. Häufig erkennen wir gar nicht wohin wir unsere Füße setzen. Hinzu kommt, dass wir immer wieder über umgefallene Baumstämme balancieren müssen.
Nachdem wir glücklich das Steilufer des Baches erklommen haben, halten wir erst einmal eine Mittagsrast. Während Bernds Imbisse mit Würsten und Schokolade immer recht üppig ausfallen, verleibe ich mir eine kleine Tüte Macadamia Nüsse ein.
Diese habe ich vor der Reise günstig in einem bekannten Supermarkt erworben.
Neben dem Geschmack der fetten Nüsse begeistert mich vor allem ihr Energiewert. 125 g der Nüsse entsprechen satten 931 Kalorien!
In dem Bachtal stoßen wir immer wieder auf sumpfige Freiflächen. Wir haben keine Lust mit nassen Füßen weiterzulaufen, daher vermeiden wir sorgfältig die Stellen wo wir tief einsacken könnten.
Dann erwartet uns eine Überraschung: Wir hören Pfiffe und begegnen bald darauf zwei Männern. Es handelt sich um Hirten die aus Puelo hier hoch gekommen sind.
Offenbar stimmt die Auskunft des Rangers, dass ein Pfad von Puelo hierher in die Gegend an der Nordspitze des Lago General Pincho Concha führt.
Mit unserem holprigen Spanisch versuchen wir den Männern unseren Plan zu erklären. Obwohl wahrscheinlich wenig davon ankommt, begleiten sie uns ein Stück weit durch das Tal und zeigen uns, wo wir den Anstieg zu einem Höhenzug beginnen sollen.
Der steile Aufstieg wird das bisher härteste Stück Arbeit. Mit unseren schweren Rucksäcken müssen wir bereits nach wenigen Metern immer wieder eine Pause einlegen. Kurz bevor wir den Kamm erreichen, stoßen wir auf einen Pfad, der uns zu einer großen Freifläche führt. Weiter aufwärts wechseln sich Heideflächen mit Krummholzgebüschen ab, die aber relativ einfach zu durchqueren sind. Schließlich lassen wir unsere Rucksäcke zurück um zum Cerro El Tigre aufzusteigen.
Wir sind jetzt über der Baumgrenze und können endlich unsere Blicke wieder frei schweifen lassen. Allerdings ist es nicht möglich ganz bis zum Gipfel aufsteigen, da das letzte Stück ohne Kletterausrüstung nicht zu bewältigen ist.
Dennoch können wir von hier unsere weitere geplante Route überblicken. Ungefähr 1000 Höhenmeter unter uns liegt das Tal des Rio Traitor in das wir absteigen müssen.





                                                        Das Tal des Rio Traitor


Auf der anderen Seite geht es ebenso steil wieder bergauf. Über der Baumgrenze suchen wir mit meinem Fernglas dann lange nach einer machbaren Route weiter aufwärts zu einem Pass. Zwar erscheint eine Rinne begehbar, aber es gibt einige Steilstücke, bei denen wir uns nicht sicher sind, ob wir sie bewältigen können.
Da alleine der Ab- und Wiederaufstieg durch den steilen Regenwald extrem schwierig und anstrengend wäre und es danach wahrscheinlich ist, dass wir auf unserer geplanten Route nicht weiter kommen, halten wir nach einer Alternative Ausschau. Der Kamm der Sierra El Muelle auf dem wir uns befinden, sieht über eine weite Strecke recht gut begehbar aus, und verspricht grandiose Ausblicke.





                                                      Der Kamm der Sierra El Muelle

Fürs Erste fällen wir keine Entscheidung sondern kehren zu den Rucksäcken zurück. Da mittlerweile Wolken aufgezogen sind und es nach Regen aussieht, beschließen wir unser Lager an der Freifläche aufzuschlagen.
Doch zunächst erkunden wir deren Umgebung und haben Glück. In nicht allzu großer Entfernung stoßen wir auf einen Bach, daher bauen wir bald darauf die Zelte auf.
Wir glauben unseren Augen kaum zu trauen, als zwei riesige Kondore dicht über unseren Köpfen den Kamm entlang fliegen.
Kaum bin ich mit dem Kochen fertig beginnt es dann auch tatsächlich zu regnen.
Bernd stört das nicht, da er fast immer im Inneren seines geräumigen Zeltes kocht.
Zwar sträuben sich mir dabei die Haare, da so ein Benzinkocher ja auch gerne mal eine größere Stichflamme entlässt, aber da mein Partner schon seit unzähligen Jahren so arbeitet und bisher nichts passiert ist, scheint es ja zu funktionieren…
Im Zelt wälzen wir die Karten und grübeln über unsere weitere Route. Schließlich beschließen wir morgen tatsächlich weiter dem Kamm zu folgen.
Als der Regen nachlässt und sich die Wolken kurzzeitig heben, ergeben sich tolle Lichtstimmungen.










                                                              Regenpause

Später kommt der Regen aber zurück und gewinnt zunehmend an Stärke.

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