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26.02.2014

Durch die Dschungel von Kambodscha 3 - Seima 2

Gegen 5.30 morgens beginnt es zu  dämmern. Um den Tag voll auszunutzen, frühstücke ich noch im Dunkeln und bin dann, sobald es hell ist, bereit für einen neuen Wandertag. Die Temperaturen morgens betragen hier angenehme 17- 22 Grad.
Wenn die Sonne erste Lichtflecke in den schattigen Wald zaubert und der Morgendunst noch nicht verschwunden ist, ist es besonders schön durch den Dschungel zu streifen. Der Wald in Seima ist sehr abwechslungsreich. Zeitweise laufe ich durch dichten, immergrünen Regenwald, der hier auf Böden wächst, die das Wasser gut halten können.



                                       Immergrüner Regenwald



Weniger angenehm ist, dass hier das Unterholz besonders dicht ist, und ich streckenweise ganz schön zu kämpfen habe…

                                     Eher offenes Unterholz…

Häufig laufe ich aber auch durch weniger dichten Wald, in dem ein Teil der Bäume in der Trockenzeit sein Laub abwirft. Eine wirksame Maßnahme um in der Zeit von Dezember bis April, in der es kaum regnet, Wasser zu sparen.




                                          Halbimmergrüner Wald

Manche Bäume hier verfärben schon ihr Laub, wie bei uns, bevor der Wald im Herbst kahl wird…

                                 Einige Bäume verfärben sich bevor sie ihr Laub abwerfen

Gerade diese lichteren Waldbestände wären bestimmt für Ökotouristen sehr attraktiv. Und ein gutes Pfadnetz gibt es ja, wie ich leider in den nächsten Tagen feststellen muss. Die Vorraussetzung dafür, dass das Gebiet für den Tourismus attraktiv wäre, ist allerdings meiner Meinung nach die Eindämmung des illegalen Holzeinschlags. Wer will auf seiner Wanderung schon oft Motorsägen- und Mopedlärm hören?

                                         Mopedpiste


Fast jeden Morgen höre ich die Sinfonie der Gibbons, den markanten Klang der asiatischen Regenwälder. Ebenso treffe ich recht häufig auf Affenhorden, oder höre flüchtendes Wild. Nur selten gelingt mir aber eine Beobachtung, zum Beispiel von Leierhirschen, die etwas größer als ein Reh sind, und ein rotes Fell tragen. Einmal sehe ich einen Binturong, eine ziemlich große, schwarze Schleichkatze mit langem Greifschwanz und hohem Rücken. Natürlich bin ich zum Fotografieren viel zu langsam…
Während ich am zweiten Tag morgens lange kaum auf menschliche Zeichen treffe, sieht das nachmittags schon wieder anders aus. Besonders mulmig wird mir, als ich einem Pfad folge und dann überraschend in ein Lager gelange, wo ein Topf noch auf dem Feuer steht. Hat man mich bemerkt und schnell das Weite gesucht?
Ich weiß es nicht, schlage mich jedenfalls rasch hangabwärts in dichte Bambusdickichte, in der Hoffnung hier keine unangenehme Begegnung zu haben. Irgendwann gelange ich auf eine große Lichtung auf der ich mein Zelt aufschlage.

                                             Lichtung im Bambushang

Gut, dass ich auf dieser Tour sowieso nicht auf dem Feuer kochen wollte, denn in der Dunkelheit höre ich immer wieder Stimmen….
Auch in den nächsten Lagern ist es eine Seltenheit nachts einmal keine menschlichen Geräusche zu hören. Ob Mopeds, Motorsägen oder gar Stimmen, stets befürchte ich, dass mein verstecktes Lager doch entdeckt wird.
Alter Dung von Elefanten und die Hinterlassenschaften von Wildrindern wie Gaur und Banteng, verraten mir am nächsten Morgen, dass es hier auch noch größere Tiere gibt, die aber sicher sehr scheu sind.
Große Bäume mit mehr als einem Meter Durchmesser sind relativ häufig, es gibt aber auch einige die mehr als doppelt so dick sind.

                                             Mächtige Bäume


                                                               Würgfeige


                                     Schraubenförmige Liane

Besonders schön ist es, die Kronen der mächtigen Bäume zu bewundern.

            Die Kronen der Regenwaldgiganten beherbergen vielfältiges Leben

Ziemlich selten stoße ich auch auf eine Lichtung. Wenn das Wild nicht so scheu wäre, bestünde hier bestimmt die Chance auf interessante Beobachtungen.

                                                       Morgenstimmung auf Waldlichtung       
                
Wenn ich einige Stunden lang keine Zeichen von menschlichen Aktivitäten entdecke, hege ich stets die Hoffnung, dass ich das Holzfällergebiet hinter mir gelassen habe. Doch leider stehe ich dann immer wieder irgendwann vor frisch gefällten Stämmen.

                                              Frisch gefällt


                                        Die Bäume werden vor Ort zu Balken und Brettern geschnitten



                                              Maßaufschriften

Nach meiner Rückkehr erfahre ich, dass die illegalen Holzfäller hier im Wesentlichen nur an drei Luxushölzern interessiert sind. Deren Preise sind von etwas 150 $/cbm 2005, auf 1700 $ im Jahr 2011 gestiegen! Nicht nur die reicheren Nachbarn China und Vietnam kurbeln die Nachfrage an, auch in Kambodscha sieht man etliche neue, palastartig anmutende Häuser, sogar in Orten wo sonst nur Hütten stehen... Kein Wunder, dass zur Zeit offenbar in großem Umfang gefällt wird. Nichts desto trotz wirkt der Wald noch erstaunlich intakt, wahrscheinlich weil immer nur einzelne, oft auch nicht besonders starke Stämme gefällt werden.
Von 1999 bis 2002 war Seima eine Holzkonzession der malaysischen Firma Samlin, die aber nur auf der  Ostseite der Straße nach Sen Monorom aktiv war. Danach wurde das Gebiet geschützt, und hat sogar seit 2009 als Protection Forest die strengste Schutzkategorie, die es in Kambodscha gibt.
Oft folge ich weiterhin den Bergrücken, der Wald gewährt mir aber nur selten eine Aussicht über das Dschungelmeer.

                                                        Seltene Aussicht

Da ich genug Wasser aufgefüllt habe, schlage ich mein drittes Lager auf einem Bergkamm auf. Abends sitze ich mit der Kamera an einen Baum gelehnt etwas abseits. Unvermittelt kommt ein junger Gibbon vorbei, der sich mit seinen langen Armen durch die Baumkronen hangelt. Leider schafft es der Autofokus meiner Kamera nicht, im Grün des Baumes scharf zu stellen.
Nachts höre ich in Zeltnähe schnaubende, an Schnarchen erinnernde Geräusche. Wahrscheinlich ist ein Wildschwein in Zeltnähe unterwegs…
Manchmal folge ich den Wechseln von Tieren, aber kein Vergleich zum Kongo, wo die Elefanten ein Netz von breiten Pfaden im Wald angelegt hatten.
Da ich mich hier meistens weglos laufe, beträgt meine Tagesleistung auch nur ca. 8 Kilometer!
An einem Bach kann ich von der Böschung aus einen Eisvogel beobachten.

                                                            Eisvogel

Ein Stück weiter höre ich ein lautes, an einen startenden Jet erinnerndes Geräusch, und sehe einen mächtigen Riesenhornvogel, der sich in einem Baum niedergelassen hat.
Es gelingt mir sogar ihn zu fotografieren.

                                                           Riesenhornvogel

Bereits jetzt, nach vier Tagen fordert der Dschungel seinen Tribut. Meine Arme sind über und über von tiefen Kratzern übersät, man könnte glauben, ich sei ein "Borderliner" der sich selber ritzen muss, dabei waren es nur die Dornen und einige Stürze beim Hang abwärts wandern...
Natürlich gibt es auch Zecken. Ein besonders perfides Exemplar hat sich an meinem linken Augenlid festgebissen. Mit Kompassspiegel und Pinzette versuche ich das Biest zu entfernen, was mir aber leider nicht vollständig gelingt…Auch hinter meinem rechten Ohr hat sich etwas großes, kugeliges festgebissen, wahrscheinlich ebenfalls eine Zecke…
Es geht mir ziemlich schlecht, obwohl ich Hunger habe, kann ich kaum etwas essen und muss mich zweimal sogar übergeben, als ich versuche Müsli in mich reinzuschieben. Klar, wenn man aus dem deutschen Winter kommend bei dreißig Grad mit schwerem Rucksack durch den Dschungel marschiert ist das anstrengend, aber das mein Puls wie wahnsinnig rast zeigt mir ebenfalls, das irgendetwas nicht in Ordnung ist. Wahrscheinlich haben mir die Zecken irgendeine Krankheit übertragen…
Als ich einem kaum auszumachendem Pfad durch dichte Vegetation folge, entdecke ich plötzlich ein niedergebogenes Stämmchen, das ziemlich merkwürdig aussieht. Bei genauerem Hinsehen erkenne ich die daran befestigte Schlinge…


                                                              Schlinge um Wild zu erbeuten

Mit einem Stock simuliere ich den Huf eines Tieres, dass in die Schlinge tritt. Ich bin erstaunt, mit welcher Wucht das Bäumchen die Schlinge in die Höhe schleudert. Hiermit kann man auch große Tiere erbeuten, und auch mir wäre es nicht gut bekommen, wäre ich in die Falle getappt…
Von nun an scanne ich die Gegend noch genauer…
Immer wieder gelange ich an Bäume, in die ein "Fenster" geschnitten wurde. Wahrscheinlich werden hier Baumsäfte für allerhand Zwecke gezapft, die eine wichtige Einnahmequelle für die Bevölkerung der umliegenden Dörfer sind.

                                               Zapfstelle für Baumsäfte

Natürlich sorgen Beinahe Begegnungen mit Menschen immer wieder für Adrenalinschübe, zum Beispiel als ich hackende Geräusche von vorne und näher kommende Stimmen von hinten höre. Zum Glück ist der Wald ideal um sich zu verstecken…

                                                   Netter Zeltplatz

Zwar finde ich immer wieder gute Zeltplätze, aber das meine Bewegungsfreiheit durch die Angst vor Begegnungen ziemlich eingeschränkt ist, stört mich sehr. Einmal wache ich nachts Schreck erfüllt auf, und glaube für einen Augenblick, dass Leute in der Nähe sind, die mein Lager entdeckt haben…

Die kleineren Bäche sind alle ausgetrocknet, und selbst in manchen größeren Tälern ist kaum eine Spur von Wasser zu entdecken. Es kann unangenehm werden, als ich nachmittags an ein trockenes Bachbett gelange, wo ich unbedingt meinen Wasservorrat ergänzen muss.

                                     Keine Spur von Wasser zu entdecken

Doch nach etwas Suchen stoße ich dann doch auf ein Wasserloch

                                                    Wasserloch

Wo Wasser ist, gibt es auch Libellen.

                                                                   Libelle

Die Gegend weiter nördlich ist viel trockener, wird es mir auch dort noch gelingen Wasser zu entdecken?
Aber Wasserlöcher sind natürlich auch ein Anziehungspunkt für Tiere. So freue ich mich sehr, als ich mit der Kamera versteckt auf der Böschung oberhalb einer Wasserstelle sitze, als sich zwei Bankivahühner bis auf weniger Meter nähern.


                                                    Bankivahahn, der Vorfahre unserer Haushühner

Wenn man im Dschungel das Krähen der Hähne hört, könnte man auch glauben, man sei auf dem Bauernhof nebenan…
Es gibt aber auch kleinere Tiere, so hat sich ein winziger Frosch in mein Zelt verirrt. Als ich ihn raussetzten will, springt er erst auf meine Schulter und von dort in die Freiheit.

                                    Was will der Frosch in meinem Zelt?

Am sechsten Tag lasse ich den immergrünen Regenwald hinter mir. Es gibt jetzt einige große, grasbewachsene Freiflächen.

                                     Große Freiflächen sind in den Wald eingestreut

Früher hat es auf solchen Flächen bestimmt von Tieren gewimmelt…
Aber ähnlich wie die Holzpreise, sind auch die Preise für Wildfleisch in den letzten Jahren extrem gestiegen, außerdem wollen ja auch die Holzfäller Fleisch essen...
Während ich auch schon in den letzten Tagen durch einige trockene, lichte Wälder gewandert bin, dominiert dieser Waldtyp jetzt. Die Bäume werden hier nicht mehr so dick und hoch, und es gibt einen dichten Grasunterwuchs.

                                                           Trockenwald

Ich hatte gehofft, dass es hier für die Holzfäller nichts mehr zu holen gibt, und ich endlich in unberührte Wildnis gelange, aber in den Tälern gibt es immer noch Galeriewald, in dem es offenbar zahlreiche lukrative Bäume gibt, denn ich habe das Gefühl, dass es hier eher noch mehr Pisten und Motorsägen gibt.

                                                 Auch im Trockenwald gibt es Mopedpisten

Am siebten Tag gelange ich an einen 10-20 Meter breiten Fluss. Ich beschließe hier von meiner Route abzuweichen und dem Fluss zurück in die Zivilisation zu folgen. Einstweilen habe ich genug vom Versteck spielen, und obwohl die Gegend eigentlich wunderschön ist, hatte ich mir unter meiner Wildniswanderung etwas anderes vorgestellt. Abgesehen davon wäre die Wasserversorgung auf der weiteren Route Richtung Norden sehr unsicher und mein Gesundheitszustand ist auch nicht besonders…

                                              Ich folge dem Fluss

Eigentlich müsste der Fluss ein absoluter Anziehungspunkt für das Wild jetzt in der Trockenzeit sein, aber ich sehe kaum Spuren, geschweige denn, dass ich etwas zu Gesicht kriegen würde.
Meist marschiere ich weit abseits des Flusses um Mäandern und dichter Ufervegetation auszuweichen.
Ich hatte gehofft, dass ich im Trockenwald gut vorankomme, aber mitunter über Mannshöhe erreichende, dichte Grasteppiche sind nur sehr mühsam zu durchqueren.

                                   Dichte Grasteppiche sorgen für schwieriges Vorankommen

                           Morgenstimmung im Trockenwald

Einmal nehme ich Brandgeruch wahr, und sehe kurz darauf ein Buschfeuer auf mich zu kommen. Ich nutze eine Mopedpiste um mich schnell aus der Gefahrenzone zu begeben…
Wahrscheinlich brennt der größte Teil der Grasflächen in jedem Jahr ab, vermutlich wäre in ein paar Wochen das Vorankommen im Trockenwald ein Kinderspiel…
Als ich am Morgen des neunten Tages in Ufernähe bin, sehe ich einen Hund. Mir ist klar, dass sein Herr vermutlich nicht weit entfernt ist, und natürlich, kurz darauf kommt er mir entgegen. Sofort sehe ich, dass mir von dem jungen, lächelnden Burschen wohl kaum Gefahr droht. Allerdings spricht er natürlich kein Englisch und so geht nach einigen Momenten jeder seines Weges.
Ich habe genug von den anstrengenden Grasfilzen und laufe jetzt auf den Pisten. Es wimmelt hier von provisorischen Lagern. Es dauert nicht lange und ich laufe in ein bewohntes Camp, wo ich den Burschen vom Fluss wieder treffe. Ausser ihm sind nur noch zwei andere junge Typen und ein Mädchen anwesend. Mit meinem zerrissenen Hemd muss ich einen ziemlich wilden Eindruck machen...
Nun ja, ich bekomme Reis angeboten und revanchiere mich mit Paranüssen. Irgendwann haben meine Gastgeber verstanden, dass ich mit ihrem Moped zum nächsten Ort gefahren werden möchte, und der Bursche den ich als erstes getroffen hatte, ist auch bereit dazu.

                                                     Provisorisches Lager


                                                     Mit dem Moped zurück in die Zivilisation

Stundenlang kurven wir über die oft sandigen Pisten. Zu meinem Erstaunen gelangen wir irgendwann an einen Schlagbaum mit einigen Uniformierten. Offenbar handelt es sich um die Grenze des Reservats. Mein Fahrer muss einige Fragen beantworten, ich ernte aber nur argwöhnische Blicke von den "tough" aussehenden Rangern und muss nicht einmal meinen Pass vorzeigen…
Schließlich erreichen wir Snuol wo ich meinen Fahrer bezahle und mich von ihm verabschiede.
Zurück in Deutschland nehme ich Kontakt mit der Wildlife Conservation Society auf, der amerikanischen Naturschutzorganisation die in Seima aktiv ist, und maile einen Bericht über meine Beobachtungen. Nach Ansicht der Naturschützer ist die offenbar mangelhafte Überwachung des Reservates in erster Linie ein Geldproblem. Es gäbe nur 7 Rangerteams um die große Fläche von 3000 qkm zu überwachen. Da der Holzeinschlag so offen statt findet, denke ich, dass schon eine einzige, wirklich ernsthaft arbeitende Gruppe von Wildhütern einen Unterschied machen würde. Für mich sieht es entweder nach mangelndem Willen oder schlimmer noch, verwickelt sein in die illegalen Aktivitäten aus.
Als nächstes möchte ich in die Kardamom Mountains im Süden des Landes, das wohl größte verbliebene Regenwaldgebiet.

                                               












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