Translate

29.01.2015

Durch das Land der namenlosen Berge 11 - In den Märchenwald

Nach einem netten Frühstück aus Chapatti und Ei beginnen wir den nächsten Abschnitt unserer Wanderung der uns in 5- 6 Tagen nach Simikot führen soll. Kaum haben wir Ghamgadi, dass auf einem Plateau liegt verlassen, beginnt auch schon der steile Abstieg zurück zum Mugu Karnali. Um abzukürzen und weil wir schmale Pfade einfach interessanter finden, verlassen wir schon bald die breite Hauptroute und streben auf Abkürzungswegen, die manchmal kaum noch zu erkennen sind, nach unten. An einer Stelle können wir uns einem großen Himalayageier bis auf wenige Schritte nähern. Die Krähe die dort ebenfalls sitzt, wirkt gegen den riesigen Aasfresser regelrecht winzig. Wahrscheinlich gibt es hier in der Nähe einen Müllhaufen, in dem sich noch etwas Essbares für die Vögel findet.

                                       Geier und Krähe


Nachdem wir auf einer Stahlbrücke den Fluss überquert haben, geht es wieder steil bergauf. Eine frisch angelegte Piste wirkt wie eine monströse Wunde in der terrassierten Kulturlandschaft. Glücklicherweise hatten wir vom Gegenhang bereits ausgemacht, dass sie (vorerst) nicht allzu weit führt. Aber in der Zukunft werden sicher wie im Kali Gandaki Tal, auch die kleineren Dörfer Straßenanschluss haben…
Glücklicherweise liegt die Piste hinter uns, als wir einen Rücken erreichen, von dem wir in das Tal des Luma Khola absteigen. Zu unserer Überraschung sehen wir dort eine ca. 70 Zentimeter lange Schlange  im Bach verschwinden.
In dieser dicht besiedelten Gegend folgen uns manchmal neugierige Kinder und erproben ihre mageren Englischkenntnisse. Aber auch erwachsene Männer zeigen auf ihren Bauch, wohl um uns zu verstehen zu geben, dass sie Hunger haben und etwas von uns möchten. Warum die alte Frau in einem ärmlichen Dorf ihre Brust entblösst, ist ein weiteres Rätsel. Vielleicht hält sie uns für Ärzte?

                                            Wir sind eine Attraktion für die Kinder

Auf den Natursteinmauern, die manchmal die Wege begrenzen, sitzen häufig große, bis zu 30 Zentimeter lange Eidechsen.                

                               Eidechsen lieben die Wärme der tieferen Lagen

Durch eine abwechslungsreiche Gegend aus Wiesen, terrassierten Feldern und lichten Kiefernwäldern steigen wir aufwärts zu einem namenlosen Pass. Zwar wirkt das Landschaftsbild ohne die brutal in die Hänge gebulldozerten Pisten durchaus harmonisch, dennoch ist unverkennbar, dass die Natur hier sehr intensiv genutzt wird. Auch an steilen Hängen werden noch Felder angelegt. Wo das nicht mehr möglich ist, weiden Heerscharen von Ziegen und mageren Rindern. Zwar gibt es hier durchaus noch Wald, dieser wird aber um Brenn- und Bauholz zu gewinnen, regelrecht "gefegt". Selbst aus den Kronen der Bäume werden Äste heraus geschnitten. Immerhin scheint es noch keine Motorsägen zu geben. Alles Holz wird mit der Axt gewonnen.




                             Schöne, aber intensiv genutzte Kulturlandschaft

Hinter dem Pass bleibt der Pfad weitgehend auf einer Höhe und wir passieren weitere kleine Dörfer. Leider haben wir es versäumt, zumindest einige Worte Nepali zu lernen, was schön wäre, da fast niemand Englisch spricht. Dennoch begreifen wir irgendwann, dass jemand einige wohlschmeckende, pralle Äpfel verkaufen möchte, was wir natürlich gerne annehmen…
Am späten Nachmittag würden wir gerne unser Lager aufschlagen. Allerdings wollen wir wieder etwas Abstand zu den Siedlungen hinter uns bringen. An einer Stelle werfen Kinder oder Jugendliche Flaschen von hoch oben in Richtung des Weges, den wir bald passieren werden. Merkwürdig, in abgelegenen Gegenden stellen Glasflaschen sonst häufig einen kleinen Schatz dar…
Glücklicherweise wird das lustige "Flaschenzerdeppern" irgendwann eingestellt.
Uns ist klar, dass wir wahrscheinlich auf kein Wasser mehr stoßen, wenn wir weiter in Richtung des nächsten Passes aufsteigen. Ich schlage daher vor, einige Liter in unseren Wassersäcken aus einem Bach mitzunehmen. Zunächst möchte sich mein Partner nicht mit dem Mehrgewicht belasten und schlägt vor in der Nähe der Siedlung einen Zeltplatz zu suchen. Da Bernd aber auch lieber nicht in Dorfnähe zeltet, ziehen wir schließlich auf dem breiten Karawanenpfad weiter nach oben. Irgendwann entdecken wir einen relativ ebenen Platz im Wald, ausser Sichtweite des Weges, auf dem wir unsere Zelte aufschlagen können.
Hier auf ca. 2900 Metern wird es selbst in der Nacht nicht kalt. Lauschige 9 Grad misst mein Thermometer am nächsten Morgen. Als wir die heutige Wanderung beginnen, können wir bereits im T-Shirt laufen. In den Kiefernwald sind bald bereits erste Eichen eingemischt. Nachdem es zunächst etwas bedeckt war, setzt sich der blaue Himmel wieder durch.



                           


                                          Weiter aufwärts zum nächsten Pass

Da Bernd nach wie vor bergauf deutlich langsamer ist, und wir uns auf dem Karawanenweg nicht verlieren können, habe ich viel Zeit, die Landschaft intensiv wahr zu nehmen. Bald erreiche ich einen schönen Eichenwald. Obwohl hier auch etwas Rhododendron im Unterwuchs gedeiht, macht der Wald mit seinen schlanken Stämmen einen offenen, gut durchwanderbaren Eindruck. Erstaunlich dass es hier noch viele Bäume mit mehr als einem Meter Durchmesser gibt! Viele der Stämme sind mit braunen Farnen bewachsen, was ein wenig an Regenwaldbäume erinnert.


                                                          Schöner Eichenwald

Bereits nach zwei Stunden habe ich den 3594 Meter hohen Pass Changkeli Lagna erreicht.
Auf der anderen Passseite gelange ich in einen wahren Märchenwald! Während der Eichenwald durch seinen parkartigen Bestand mich fasziniert hat, bin ich jetzt in einem dichten Nadelwald. Viele der Tannen haben einen Durchmesser von mehr als zwei Metern! Wahre Giganten! Allerdings gibt es hier überall dichten Unterwuchs aus jungen Bäumen, Rhododendron und niedriger wachsenden Laubbaumarten. Ein bisschen kann ich mir vorstellen, dass es im Schwarzwald einmal so ähnlich ausgesehen hat, allerdings sind die mächtigen Uraltbäume die einem hier auf Schritt und Tritt begegnen, in Deutschland eine echte Rarität…
Schließlich erreichen wir die Lichtung Jogimara, ein beliebter Rastplatz für die Karawanen.

                                                  Herbstliche Blütenpracht auf der Lichtung Jogimara

Nach einer Pause am Rauli Khola setzen wir unseren Weg fort.


                                                            Rauli Khola

Weiterhin geht es durch schöne Urwälder. Um so größer ist unsere Überraschung als wir auf eine geschobene Piste stoßen. Glücklicherweise hört diese aber schon nach kurzer Strecke wieder auf. Keine Ahnung wie die Raupe hierher gelangt ist…
Wir haben keine Lust zu einer Abzweigung zurück zu gehen und marschieren daher ab jetzt ohne Weg im Hang weiter. Zwar sind wir so deutlich langsamer, aber das Glück uns mal wieder als Entdecker fühlen zu dürfen, ist wunderbar. Natürlich wird dieser Wald bereits seit langer Zeit von Menschen durchstreift. Dennoch haben wir so ohne Weg im Dickicht das Gefühl, dass uns bei jedem Schritt etwas Neues erwartet.

Im Märchenwald

Schließlich brechen wir das Traversieren der Hänge ab, und treffen ein Stück unterhalb wieder auf den Karawanenweg. Ein schön gebauter Unterstand verrät, dass sich die Leute hier durchaus im Wald einrichten können.

Unterstand am Weg

Obwohl es noch früh ist, beschließen wir, uns hier im Urwald einen Lagerplatz für die Nacht zu suchen. Das entpuppt sich als schwerer als gedacht, da ebene, unbewachsene Flächen hier Mangelware sind, und es auch nicht überall Wasser gibt. Nach längerem Umherstreifen finden wir aber doch einen halbwegs geeigneten Platz. 
Natürlich will ich noch ein wenig den Wald mit Kamera und Fernglas erkunden, allerdings sieht es stark nach einem Gewitter aus. Daher laufe ich nicht sehr weit. Es geht dann aber nur ein relativ kurzes Regen- und Hagelschauer nieder. 
Zwar dominieren die mächtigen Tannen und Fichten den Wald, daneben wachsen aber auch zahlreiche Laubbaumarten wie Linden, Ahorne und sogar Rosskastanien. Nur selten trifft man hier auf Vieh- oder Axtspuren, der Wald wirkt erstaunlich unberührt. Um sicher zu stellen, dass das so bleibt, müsste eigentlich ein reiches Land wie Deutschland, einem armen Land wie Nepal Geld dafür geben, damit es seine letzten Urwälder erhält. Wenn erst mal Straßen gebaut sind, und die Motorsäge ihren Einzug gehalten hat, wird es dafür zu spät sein…

                      Kastanienbäume wachsen hier wild im Wald
















































Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen