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28.12.2016

Via Dinarica - 1300 Kilometer durch die Berge des Balkan 16/Montenegro/



Nachdem ich zu einem Sattel aufgestiegen bin, sehe ich unter mir bereits Martinicki Katun. Bei einem einzelnen Gehöft melkt jemand trotz der frühen Stunde bereits die Kühe. Daneben wuseln aber auch Hühner, Pferde, Ziegen und Schafe um den Hof herum. Viehwirtschaft wie aus einer anderen Zeit! Gar nicht gefallen mir die großen Hunde, die mit bedrohlichem Kläffen versuchen den unerwünschten Eindringling zu vertreiben.


                                 Martinicki Katun am frühen Morgen

Ab jetzt laufe ich stundenlang auf Fahrwegen ohne Verkehr. Das ist zwar eher langweilig, dafür entschädigen mich die fantastischen Lichtstimmungen, die der Morgen bereit hält.




             Faszinierende Lichtstimmungen 

Selten einmal passiere ich einige Häuser, meist bin ich alleine in der weiten grünen Landschaft. Das Wetter scheint sich heute deutlich zu verschlechtern. Zeitweise ist es sehr windig und entfernt sehe ich bereits Regenvorhänge nieder gehen. Zum ersten Mal seit langem laufe ich mit langer Hose.
Zu den oft schönen, traditionellen Holzhäusern halte ich gerne etwas Abstand, denn die oft riesigen Hütehunde möchte ich nicht aus der Nähe kennen lernen...


                   Verstreute Häuser


                                Dort regnet es


                           Die grünen Hügel Montenegros

Nach 14 Kilometern passiere ich ein großes Gebäude, das nach einer Berghütte aussieht. Allerdings ist das Haus verschlossen und kein Schild weist darauf hin, wie man hier übernachten kann...
Manchmal sehe ich Wegeschilder für den CT1, eine Weitwanderroute durch Montenegro, die auch die Via Dinarica im Wesentlichen nutzt. 
Als ich mich Mojkovac nähere, ergeben sich Ausblicke in das Tara Tal. Die steilen Hänge sind dicht besiedelt und genutzt. So ähnlich sieht es auch in Nepal aus...
Für den langen, steilen Abstieg in das Tara Tal, bleibe ich auf dem Track, obwohl der CT1 in eine andere Richtung führt. Bald schon ist von einem Pfad nichts mehr zu sehen. Dafür kann ich einige wunderschöne Haselhühner beobachten, die sich in einer Birke nieder gelassen haben. In Deutschland wäre das schon fast sensationell, hier dagegen scheinen die Vögel, die naturnahe Wälder brauchen, nicht selten zu sein...
Ohne Weg und Steg kämpfe ich mich die steilen Hänge hinab. Glücklicherweise finde ich immer relativ lichte Waldbestände und bleibe nicht in einem dichten Gebüsch stecken...
Schließlich habe ich aber das Tal erreicht und laufe auf einer Nebenstraße nach Mojkovac. Die Tara ist hier eher ein bescheidenes Bächlein und liegt auf 820 Meter Höhe.
Das Leben in dem kleinen Städtchen konzentriert sich um den zentralen Platz, an dem Läden und Cafés liegen. Nachdem ich eingekauft habe, verspeise ich erst mal 1,5 kg Schoko- und Vanilleeis im Park...
Obwohl bald ein Gewitter loszubrechen scheint, wandere ich noch aus der Stadt hinaus. Der Track stimmt mal wieder nicht mit den tatsächlichen Wegen überein, so dass ich mir meinen eigenen Weg bahne, bis ich schließlich auf eine Viehtriebroute stoße, die steil bergauf führt. Gerade rechzeitig, bevor das Unwetter so richtig beginnt, schlage ich mein Zelt in einem Buchenwald auf.


        Gerade noch rechtzeitig schlage ich mein Lager auf

Am nächsten Morgen ist es neblig und sehr feucht. Während es beim Zeltabbau nicht regnet, setzt bald stetiges Nieseln ein, dass sich im Laufe des Tages zu einem richtigen Dauerregen auswächst. 
Irgendwann erreiche ich die große Hütte Dzambas, natürlich auch mal wieder leer und verschlossen...
Durch den Nebel tappe ich in der watteweichen Landschaft herum. Ich sehe kaum etwas, wundere mich aber, dass ich immer wieder bei Hirtenhäusern lande, die von den obligatorischen Hütern bewacht werden. Meist folge ich Fahrwegen, worüber ich bei der Nässe nicht wirklich böse bin...
Schade, dass ich rein gar nichts sehe, denn die Bjelasica Berge und der Biogradska Nationalpark sind sicher sehr schön...
Gegen Mittag steige ich ab zum Sisko jezero, an dessen Ufer einige Hütten stehen, die wohl als Wochenendziel dienen. Ich nutze den Wetterschutz zum Kochen und laufe dann unschlüssig weiter. Bald komme ich aber zu der Erkenntnis, dass ich lieber auf besseres Wetter morgen hoffe, als noch länger durch den Nebel zu tappen, daher schlage ich schon relativ früh mein Lager im Wald auf. Es scheint hier fast überall Vieh und Hütten zu geben, daher muss ich etwas suchen, bis ich ein verstecktes Plätzchen an einem Steilhang finde.
Am Morgen regnet es zwar nicht mehr, aber die dicke Nebelsuppe hängt nach wie vor in den Bergen. Mal kann ich Fahrwegen folgen, aber immer wieder führt der Track auf meinem GPS weglos ins nasse Gras. Wenn ich mehr sehen würde, könnte man wahrscheinlich hier auch eine einfachere Route nehmen, aber bei den herrschenden Sichtverhältnissen bleibe ich lieber auf dem Track. Der Ursolovacko jezero scheint relativ häufig besucht zu werden, wovon Feuerstellen und Müll künden!
Hinter dem See steige ich wieder nach oben und bin endlich in einer Landschaft ohne Vieh und Menschen. Klar ist die traditionelle Hirtenkultur faszinierend, aber für meinen Geschmack war mir gestern zu viel los, und das trotz des Nebels! Die grasigen Kämme auf denen ich jetzt laufe, wären bei besserem Wetter sicher extrem aussichtsreich. Mein GPS verrät, dass die größte Höhe, die ich erreiche, 2079 Meter beträgt. Allerdings kann man auch bei besserem Wetter nicht zum Gipfel des 2122 Meter hohen Zekova Glava steigen, da dort ein militärisches Sperrgebiet ist!
Anschließend steige ich ab und gelange schließlich langsam aus dem dichten Nebel heraus. Vranjak ist ein "Eco Katun". Dort werden Touristen in Bungalows untergebracht, die ein wenig an die traditionellen Almhäuser erinnern sollen. Da es mir aber noch zu früh zum Übernachten ist, laufe ich überwiegend auf Fahrwegen weiter.


Eco Katun Vranjak

Überall in diesen Bergen gibt es kleine Sommersiedlungen, in deren Nähe über den Sommer das Vieh geweidet wird. Montenegro ist von den bisher durchwanderten Ländern an der Via Dinarica, sicher das mit der lebendigsten Hirtenkultur.
Hier in den tieferen Lagen laufe ich stellenweise auch wieder durch Buchenwälder. Auf den Grasflächen mischen sich langsam braune, rote und gelbe Töne in das Grün des Sommers, die ersten Vorboten des Herbstes.
Bei einem fantastisch gelegenen, hübschen Holzhaus spielen einige Kinder. Es muss toll sein, hier den Sommer mit Tieren, Natur und Weite zu verbringen!
Stellenweise gibt es Markierungen von Mountainbikerouten und einmal begegnet mir eine belgische Familie, die offenbar von Eko Katun zu Eko Katun läuft. Im dichten Buchenwald unterhalb des Weges schlage ich schließlich mein Nachtlager auf.
Am nächsten Morgen führt mein Track manchmal abseits des Weges. Kein Problem, da ich immer nur für kurze Zeit querfeldein gehen muss, aber man kann auch stets auf dem CT-1 bleiben und kann sich so ein wenig Wegsuche ersparen...
Bei einem recht großen Dorf stehen mit Brennholz beladene Transporter. Wahrscheinlich heizt hier jeder mit Holz, daher wirken die Buchenwälder in Wegnähe auch etwas "geplündert".
Nach etlichen, relativ langweiligen Fahrwegkilometern erreiche ich die Straße bei dem Ort Tresnjevik, wo es zwei Cafés mit Übernachtungsmöglichkeiten gibt. Obwohl es erst halb zehn ist, genehmige ich mir schon mal ein Schnitzel...
Teils auf Pfaden, teils auf Fahrwegen steige ich aufwärts nach Stavna, wo ein weiterer Eko Katun Übernachtungsmöglichkeiten bietet. 
Ab hier laufe ich auf schönen Pfaden durch die Komovi Berge, leider ist die Landschaft größtenteils vom Nebel verhüllt. Eine Traverse an einem steilen, glitschigen, von Latschen bewachsenem Hang ist schwierig und zeitraubend. Einige knorrige Kiefern markieren hier die Baumgrenze. Weiter geht es aufwärts durch alpines, steiniges, grasiges Terrain, bis zu einer Scharte auf 2150 Metern. 
Ein Schild verrät, dass es noch eineinhalb Stunden bis zum Gipfel des markanten Kom Kucki sind. Es ist schon spät und die Sicht ist ziemlich schlecht, daher zögere ich ein wenig, ob ich den Anstieg in Angriff nehmen soll. Aber da das tschechische Paar Stepan und Nadja, die ich hier treffe, auch nach oben gehen wollen, schließe ich mich den beiden an. Stepan war vor einigen Jahren schon mal auf dem Berg und ist der Meinung, dass der Aufstieg in viel kürzerer Zeit zu schaffen sei.
Zwar gibt es einige ausgesetzte Passagen und man sollte hier sicher schwindelfrei sein, ansonsten bietet der Aufstieg keine größeren klettertechnischen Hindernisse.
Als wir oben auf 2487 Meter sind, dringt ganz kurz die Sonne durch den Nebel und zaubert einen hellen Streifen in das Grün der Hänge, bald stehen wir aber wieder in der Nebelsuppe. 
Tatsächlich sind wir nach nur eineinhalb Stunden wieder an der Scharte und ich steige noch ein Stück weit ab, bis ich einen halbwegs ebenen Lagerplatz finde. Dass der doch nicht so gut ist, zeigt sich dann in der Nacht, als ich ständig ins Rutschen komme...
Bald nachdem ich am nächsten Morgen wieder aufgebrochen bin, stoße ich in der Nähe des verlassenen Katun Carine auf die beste Himbeerstelle der ganzen Wanderung! Einfach herrlich, wie ich mir hier den Bauch mit den aromatischen, saftigen Früchten voll schlagen kann!  Obwohl es etwas weniger neblig ist, als an den letzten Tagen, hüllt sich die Landschaft in feuchtes, kühles Grau. 
An dem Glockenturm der  kleinen, orthodoxen  Kirche Sumor vorbei, die sonst sicher einen herrlichen Ausblick bietet, gelange ich weiter in die Bergwelt an der albanischen Grenze. Kurz bevor ich einen Sattel erreiche, reißt endlich die Wolkendecke auf, und die seit Tagen vermisste Sonne erscheint endlich wieder.




                         Die albanischen Alpen
























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